Raus aus der Kirche (aus Martini 01/2012)
 
Das John-Cage-Projekt betritt neue Wege. 639 Jahre soll das Orgelstück in der Burchardi-Kirche laufen.
Damit die Zeit nicht zu lang wird, soll künftig mit Konzerten und Inszenierungen eine Verbindung geschaffen werden.
Den Anfang machen „Pure Desmond”.  Die Cool-Jazzer spielen am 3. Februar 2012 im Halberstädter Theater.   
 
puredesmondDie meisten Halberstädter nehmen das John-Cage-Projekt nicht wirklich ernst. Dass ein Orgelstück in der Burchardi-Kirche 639 Jahre laufen soll, wird allenfalls belächelt. Dass sich die Laufzeit aus dem Bau der ersten Großorgel der Welt in Halberstadt im Jahr 1361 und der Jahrtausendwende errechnet, wissen schon nur noch wenige Eingeweihte.
Zu denen gehörte der Schauspieler und Sänger Jan-Josef Liefers sicher nicht. Als der aber vor mehr als einem Jahr einen Ort zum Proben für sich und seine Band suchte, wurde ihnen über Freunde aus Langenstein das Herrenhaus im Burchardikloster gleich neben dem Dauerton des Cage-Projektse empfohlen. „Wir hätten auch in irgendein Hotel gehen oder nach Südfrankreich fahren können“, sagt Johann Weiß, Gitarrist in der Liefers-Band „Oblivion“ und bei der Jazz-Band „Pure Desmond“. Aber das abgefahrene Orgel-Projekt lockte Liefers & Co nach Halberstadt. Für eine Woche probten die Musiker unbemerkt von der Öffentlichkeit im Herrenhaus. „Das ist ein Ort der Inspiration“, schwärmt Weiß noch heute. 
Die Woche in Halberstadt und das Projekt sind in Erinnerung geblieben. Johann Weiß wurde mit seiner zweiten Band „Pure Desmond“ zur Jazz-Nacht nach Halberstadt eingeladen und spielte dort im April in der Pause. Die vier Musiker hinterließen einen bleibenden Eindruck, begeisterten die Zuhörer. „Viel zu kurz!“ „Als Pausenfüller zu schade“, hieß es im April.
MT 0212 TitelSo entstand die Idee, die Band zu einem weiteren Konzert nach Halberstadt zu holen. Durch die Nähe zum John-Cage-Projekt bot sich der Förderverein an, das Konzert zu organisieren. „Wir hatten schon lange überlegt, Cage aus der Burchardi-Kirche zu holen“, erklärt Architekt und Vereinsvorsitzender Christoff Hallegger.  „Vielleicht ist es möglich, alle die, die nicht in die Burchardi-Kirche kommen, ins Theater zu locken.“
Alle anderthalb Jahre mal eine Pfeife wechseln, sei zu wenig, meint auch Professor Dr. Helmut W. Minne vom Cage-Förderverein. „Das ist doch eine spröde Angelegenheit.“ 639 Jahre würden Zeit und Raum für jede Generation bieten, sich einzubringen. „Deshalb wollen wir dem Projekt etwas Fleisch geben.“
Das Pure-Desmond-Konzert in Halberstadt am 3. Februar 2012 ist aber nicht nur vor diesem Hintergrund eine Premiere. Die vier Musiker starten in Halberstadt ihre Tournee, auf der sie ihre erste CD mit Eigenkompositionen vorstellen, die am 27. Februar 2012 veröffentlicht wird.
Seit 2002 stehen „Pure Desmond“ gemeinsam auf der Bühne. Bisher hat sich das Quartett, wie der Name „Pure Desmond“ vermuten lässt, auf die Würdigung der Musik von Paul Desmond konzentriert und ausschließlich Adaptionen des Musikers gespielt.
Die ersten Eigenkompositionen knüp­fen jetzt an den Sound des klassischen Cool-Jazz-Sounds der 60er-Jahre an, der von Paul Desmond geprägt wurde. „Weniger ist mehr“ lautet die Devise, der sich die vier Musiker verschrieben haben, ein Credo, das den Melodien der Kompositionen mehr Raum gibt. 
Außerdem wollen „Pure Desmond“ auch auf das Cage-Projekt reagieren. „Wir haben schon angefangen zu komponieren und zu arrangieren. Spielen werden wir die Stücke nur in Halberstadt“, sagt Johann Weiß. Was aber nicht heißen soll, dass es auf der Bühne zu schrägen Klangeskapaden  à la John Cage kommen wird. „Wir sind Cool-Jazzer und bleiben das auch, wenn wir an Cage denken.“ Beim Cool Jazz werden langsamere Tempi und weit geschwungene Melodiebögen bevorzugt – die Verbindung zu Cage dürfte spannend werden-

Aufführungsort

Burchardikirche
Am Kloster 1
38820 Halberstadt